Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Taschenbuch
414 Seiten
Lübbe Verlag
Erscheinungsdatum:
2001
ISBN: 3404146425
Originaltitel:
"Skyddsfaktor Noll"

Kurzbeschreibung

Ein spanischer parlamentarischer Staatssekretär wird in einem Park in Madrid ermordet und ein geheimes Dokument fällt in die Hände vom GEO - der spanischen Geheimpolizei. Sechs Monate später macht eine Gruppe mit NATO Maschinenwaffen ausgerüstete Verbrecher einen Raubangriff auf ein großes Touristenhotel auf der Insel Gran Canaria. Viele ausländische Touristen werden brutal niedergeschossen, aber die Verbrecher schaffen es, aus dem Hotel mit dem schwedischen Journalisten Göran Esser und seiner Frau Monika als ihre Geisel zu entkommen. Das Massaker an unschuldigen ausländischen Touristen sendet Wellen von Schock und Ärger durch das ganze spanische Festland. Im Cortes - dem spanischen Parlament bricht politisches Chaos aus, Premier Gonzales macht Armeegeneräle für das Massaker verantwortlich. Durch eine lange Periode von Kürzungen der Armee- und Polizeiausgaben und einer liberalen Einstellung zum wachsenden Drogenhandel in Spanien wurden die Touristen völlig alleingelassen mit der fest wachsenden Anzahl von kriminellen Banden im Land.

Leseprobe

1

Es war ein ungewöhnlich heißer Septembersonntag in Madrid. Der Mann, der vor der monumentalen Fassade der Banco de Espania am Paseo del Prado stand und wartete, wischte sich immer wieder die Stirn mit einem Taschentuch trocken und beobachtete verärgert den endlosen Strom von Autos, der an ihm vorüberbrauste. Wir müssen endlich etwas gegen diesen Verkehr tun, dachte er und fragte sich, ob er nicht den Fußgängertunnel an der Plaza de la Cibeles ein paar hundert Meter weiter benutzen sollte. Er blickte nachdenklich auf seine Armbanduhr, als plötzlich die Ampeln auf Rot sprangen. Er überquerte eilig die Straße mit schnellen, nervösen Schritten, die die Beine seiner schwarzen Anzughosen um seine schmalen Waden flattern ließen. Er passierte im Laufschritt die überbordenden Zeitungsstände auf dem parkähnlichen Mittelstreifen, der den nordwärts gehenden Verkehr von dem nach Süden trennte, und schaffte es gerade noch bis zur Zentralpost an der gegenüberliegenden Straßenseite, bevor die Autos wieder Gas gaben. Gemächlichen Schrittes ging er in Richtung des Triumphbogens an der Plaza de la Independencia. Am nördlichen Eingang des Parque del Retiro, Madrids Gegenstück zum Hyde Park in London und dem Central Park in New York, flanierte er langsam durch das Gewimmel von Touristen und Familien mit Kindern. Ein Besuch im Park war ein beliebtes Sonntagsvergnügen, und als er weiter in Richtung des großen Wasserbeckens am Alfonsodenkmal ging, musste er sich durch all die Radfahrer, Skater und Kinderwagen geradezu hindurchkämpfen. An der westlichen Seite der großen, asphaltierten Esplanade, die parallel zum Wasserbecken mit seinen Hunderten von Ruderbooten verlief, drängten sich wie üblich die kleinen Verkaufsstände, an denen Astrologen, Psychologen und Hellseher ihre sicheren Aussagen über Erfolg und Zukunft feilboten. Er verzog seinen Mund zu einem zynischen Lächeln, während er sich langsam durch die Menschenmenge vorwärts bewegte. Wir sind eine Nation romantischer Mystiker, dachte er. In unserer Geschichte wimmelt es nur so von Künstlern und religiösen Fanatikern, aber irgendwelche Techniker von Rang haben wir noch nie hervorbringen können. Vernunft und Logik gehören nicht zu unseren Tugenden. Wir haben es sogar so weit gebracht, dass selbst unsere Bürokratie einem Kunstwerk von Miró gleicht. Ein impressionistisches und farbenfrohes Chaos, das in das Leben aller eingreift, ohne je etwas zustande zu bringen. Er blieb an dem grünbemalten Eisengeländer an der Kante des Beckens stehen und strich sich nervös mit der Hand über das glänzende, schwarze Haar, das sich an den Seiten seiner Stirn bereits ein gutes Stück nach oben zurückgezogen hatte, obwohl er sich noch immer am Beginn seiner mittleren Jahre befand. Die Ruderboote steuerten gelegentlich aufeinander zu und schwenkten schaukelnd auf einen neuen Kurs ein, während die Menschen in den Booten kicherten und einander anlachten. Er verfolgte abwesend ihre spielerischen Kämpfe und schloss beide Hände fest um das Eisengeländer. Der Anruf am Morgen war völlig unerwartet gekommen. Er hatte nicht geglaubt, dass die Organisation weiterhin existierte, aber ihre alten Grundwerte waren offensichtlich im Laufe der Zeit vom Schmutz der Vergangenheit befreit worden und wirkten wieder als eine nicht mehr nur vernachlässigbare und nostalgische Alternative. Aber man hatte ihm nicht besonders viel gesagt. Nur einige kurze Anweisungen, bevor das Gespräch mit einem Klicken in der Leitung endete. Zerbrechliche Töne einer Flöte klangen ihm vom südlichen Ende der Esplanade entgegen, und er ging eilig in diese Richtung, nicht ohne ihnen weiter zu lauschen. Es war Schuberts "Ave Maria", daran konnte überhaupt kein Zweifel bestehen. Genau wie sie gesagt hatten. Er sah sich aufmerksam um, während er sich langsam durch den dichten Ring von Spaziergängern drängte, die innegehalten hatten, um der Gruppe von jungen Musikern zuzuhören, die Schuberts bekanntes Werk mit einer solchen virtuosen Sicherheit und Gefühl vortrugen. Die Musik ließ die Menschen sich mit geschlossenen Augen der Sonne zuwenden und in sich selbst versinken. Er studierte angespannt die junge Frau, die von Zuhörer zu Zuhörer ging und die Tonbandeinspielungen des Trios zu verkaufen versuchte. Das muss sie sein, dachte er. Viele kauften ihr Kassetten ab, und plötzlich wurde er nervös. Wenn sie jetzt aus Versehen die Kassette herausgab, die er eigentlich jemand anderem bringen sollte? Er drängte sich durch den Ring, unbeeindruckt von den zornigen Blicken, die auf seinen eleganten und teuren Anzug gerichtet wurden. "Hallo Sie!", sagte er und schielte aus alter Gewohnheit auf den großzügigen Ausschnitt der jungen Frau hinunter, bevor er ihr ins Gesicht blickte. "Einen Augenblick, bitte", sagte sie freundlich, während sie Geld von einem anderen Zuhörer entgegennahm. Er schaute auf seine Uhr. "Ich habe es eilig", sagte er und streckte ihr einen Geldschein entgegen. Lächelnd reichte sie ihm eine Kassette. Er lächelte zurück, ohne das Band entgegenzunehmen. "Ihre Aufnahme von "Opus Dei" ist doch wohl auch dabei, oder?", fragte er und sah ihr direkt in die Augen.

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Autorenbiografie
Buchvorstellung
Leseprobe

Ihr Lächeln verschwand, und sie blickte sich unsicher um. Schließlich sah sie auf die Kassette, während sie mit ihren Mundwinkeln kämpfte, um das Lächeln wieder an seinen
Platz zurückzubringen. "Nicht auf dieser hier", sagte sie und legte die Kassette zurück in den Karton. Sie begann in einer Stofftasche zu wühlen, die sie über der Schulter hängen hatte. "Hier", sagte sie und lächelte ihn an. "Die ist ganz neu. Wir haben sie gestern von der Plattenfirma bekommen." Er nahm sie entgegen, zog sich langsam aus dem Kreis der Zuhörer zurück und setzte seinen Weg zum Südende der Esplanade fort. Er blieb eine Weile stehen, um dem alten Mann zuzusehen, der unverdrossen Jahr für Jahr sein Ein-Mann-Puppentheater an der Westseite der Esplanade wieder aufbaute.
Er lächelte, als er sah, wie der Mann die alte Nummer mit dem Skelett aufführte. "When the Saints go marching in" dröhnte es kratzig aus zwei alten Lautsprechern neben dem schwarzen Tuch, das der Mann als Hintergrund benutzte, und das Skelett wirbelte zum lautstarken Vergnügen der Kinder gehorsam im Takt der Musik. Er sah auf die Kassette in seiner Hand, öffnete die Box und schloss sie wieder. Nein, dachte er. Das geht mich nichts an. Je weniger ich weiß, desto besser. Er konnte ja nicht ausschließen, dass der Auftrag lediglich ein getarnter Versuch war, ihn wieder in die Sache zu verwickeln. Die Stimme am Telefon hatte etwas in dieser Richtung angedeutet. Außerdem war es ja der numerarius selbst, der die Kassette entgegennehmen sollte. Dieses Mal wollte er jedoch kein Risiko eingehen. Vor zehn Jahren hatte es für ihn fast in einer Katastrophe geendet. Er sah wieder auf die Kassette. Vielleicht war es doch am sichersten, wenn er herausfand, worum es eigentlich ging? Er sah sich vorsichtig um, bevor er entschlossen begann, die Kassette zu untersuchen.
Herr im Himmel!, dachte er und strich sich mit dem Taschentuch über die Stirn. In das hier durfte er auf gar keinen Fall verwickelt werden. Wenn er erneut mit den Namen in Verbindung gebracht werden konnte, die in diesem Dokument genannt wurden, war seine Karriere für alle Zeit ruiniert. Er überquerte rasch die Esplanade und begab sich zu dem Gartenrestaurant, das direkt neben dem Bassin lag. Ein älterer Mann mit komplett rasiertem Schädel saß dort einsam an einem Tisch, ein Exemplar von El País unter den Arm geklemmt, genau wie er es laut Instruktion tun sollte. Eifrig drängte er sich an einigen deutschen Touristen vorbei, die den Weg zwischen den Tischen mit ihren großen
Rucksäcken blockierten. "Entschuldigen Sie bitte", sagte er zu dem älteren Mann. "Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?" "Ganz und gar nicht", erwiderte der Mann herzlich und deutete auf den gegenüberliegenden Stuhl. "Danke", sagte er und starrte ängstlich auf das große, schwere Kreuz, das, umwunden von einer breiten, dornigen Kette, unter dem grauen Jackett des Mannes hervorschaute.
Er hatte sich den numerarius ganz anders vorgestellt. Ein älterer Mann, soviel wusste er natürlich. Aber er hatte nicht den alten, runzligen Greis erwartet, der ihm jetzt gegenüber saß.
Er erschauderte, während er die Kassette hervorholte und auf den Tisch legte. Die wässrig blauen Augen des Mannes musterten ihn ohne ein einziges Mal zu blinzeln, und plötzlich wollte er nur noch so schnell wie möglich fort von hier. "Entschuldigen Sie", sagte er und tupfte sich die Stirn mit seinem Taschentuch ab. "Ich habe dort drüben einen Bekannten gesehen. Ich sollte jetzt wohl gehen."
Er erhob sich halb aus dem Stuhl.
"Bleiben Sie sitzen", sagte der ältere Mann. "Es ist so schön hier. Finden Sie nicht?"
Er setzte sich wieder, wie hypnotisiert von den harten kalten Augen des Mannes und den deutlich gezeichneten Mundwinkeln, die seine großen, runzligen Wangen wie die Schilde einer angriffsbereiten Kobra aussehen ließen.
Ohne Hast öffnete der ältere Mann die Kassette und wickelte das mehrfach gefaltete Papier genau so auseinander, wie er selbst es einige Minuten zuvor gemacht hatte. Das Dokument war die Fotokopie eines Papiers, das das Siegel von Ministerpräsident Gonzalez trug. Der Mann las es durch, wobei sich seine dünnen Lippen zu einem fast unmerklichen ironischen Lächeln verzogen.
"Sie haben es natürlich auch schon gelesen?", sagte er, während er das Papier zusammenfaltete und es zusammen mit der Kassette in seine Jackentasche steckte. "Nein, nein! Das ging mich nichts an. Meine Aufgabe war es, sie Ihnen zu übergeben. Nichts weiter."
"Es ging Sie nichts an?", sagte der ältere Mann verwundert.
"Seit wann geht Spaniens Schicksal Sie nichts mehr an? Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Ich hoffe, dass Sie begriffen haben, warum wir gerade Sie für diese Aufgabe ausgewählt haben?"
Der jüngere Mann lächelte verschämt und fuhr sich nervös mit dem Taschentuch über die Stirn.
"Sie müssen entschuldigen", sagte er. "Aber man kann sich in zehn Jahren sehr verändern. Damals war ich jung. Jetzt habe ich eine Familie, und ihretwegen möchte ich keine unnötigen Risiken mehr eingehen."
Der ältere Mann nickte zustimmend.
"Ich verstehe", sagte er. "Na ja. Dann hoffe ich für Sie, dass Sie nicht dumm genug waren, der Versuchung nachzugeben.
Ich hoffe, dass ich Ihnen in dieser Beziehung vollkommen vertrauen kann."
"Selbstverständlich! Wofür halten Sie mich eigentlich?"
Er lügt, dachte der ältere Mann, während er väterlich beschützend lächelte, um seine Gedanken zu verbergen.
"Ihr Bekannter wartet sicher schon auf Sie. Vielleicht sollten Sie jetzt wirklich gehen."
"Ja", sagte der jüngere Mann und sprang erleichtert von seinem Stuhl auf. "Warten Sie doch ein bisschen", sagte der ältere Mann. Er stand auf, während er die Kassette aus der Tasche hervorholte.
"Sie haben das hier vergessen. Man darf nicht so nachlässig sein. Ich sollte sie Ihnen wohl selbst in die Jackentasche zurückstecken."
Schnell schob er seine Hand unter die Jacke des jüngeren Mannes und ließ die Kassette in die Innentasche gleiten. Der jüngere Mann verspürte einen schwachen Stich im Brustkorb, gefolgt von einem brennenden Gefühl, das ihn sich in einem gewaltsamen Anfall von Schmerz nach vornüber beugen ließ. "Nein", flüsterte er und krallte wild mit der Hand nach seiner
Kehle. "Ich habe doch ni ..." Er schloss plötzlich die Augen und stieß taumelnd gegen den Tisch.
"Geht es Ihnen nicht gut?", fragte der ältere Mann und drückte ihn auf den Stuhl, während er die kleine Injektionsspritze in seine Jackentasche zurückgleiten ließ. "Mein Lieber. Setzen Sie sich hierhin und ruhen Sie sich eine Weile aus. Ich werde Ihnen ein Glas Wasser holen. Ich bin gleich zurück." Einige Zeit später öffnete ein herbeigerufener Parkwächter die Brieftasche des Mannes und stellte fest, dass die spanische Staatsverwaltung ein weiteres Opfer gefordert hatte. Dr. Albert Silva, laut seinem Dienstausweis Staatssekretär im Innenministerium, hatte offensichtlich eine Herzattacke erlitten, als er für eine Weile Ruhe und Entspannung im Parque del Retiro gesucht hatte. Die Tonbandkassette, die aus seiner Jackentasche geglitten war, hatte der Parkwächter umsichtigerweise schon an sich genommen, als er den Körper fand. Als der benachrichtigte Krankenwagen das Gartenrestaurant mit heulenden Sirenen hinter sich ließ, ergoss sich die Septembersonne weiter über den Park. Die Madrider Familien nahmen gemächlich ihre unterbrochenen Spaziergänge zwischen
den Puppentheatern, Musikgruppen und Wahrsagern der Esplanade wieder auf, ohne zu wissen, dass soeben ganz in ihrer Nähe ein Menschenleben ausgelöscht worden war.
Der ältere Mann hörte die Krankenwagensirenen, als er den großen Palacio de Justicia betrat, in Gehweite vom Parque del Retiro gelegen.
Er ging direkt in sein Dienstzimmer, hob den Telefonhörer ab und wählte die wohlbekannte Nummer.
Es dauerte ein wenig, bis jemand antwortete, aber er erkannte die Stimme sofort wieder.
"Es war so wie wir gedacht haben", sagte er. "Wir müssen uns sofort sehen." Er hörte eine lange Zeit zu. "Ja, sie sind informiert.
Einer ihrer Leute in Frankfurt gab uns den Tipp. Sie sind sehr effizient. Da Silva war übrigens keine gute Idee. Ja, wir können nicht mehr mit ihm rechnen. Es ist zuviel Zeit vergangen, leider. Er hätte uns ansonsten sehr von Nutzen sein können."


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Er hörte der anderen Stimme eine lange Zeit aufmerksam zu. "Sieben Uhr?", sagte er und blickte auf seine Uhr. "Na ja, das wird gehen. Ich werde dort sein."
Er legte den Hörer auf und holte einen Stift aus seiner Brusttasche. Planlos begann er kleine Kreise und Dreiecke auf die Schreibtischunterlage zu malen. Plötzlich hielt er inne und starrte auf die Unterlage. Er schrieb hastig ein Wort auf und strich es anschließend viele Male wieder durch.
Ja, dachte er. Das Einzige, was uns jetzt noch retten kann, ist ein pronunciamento. Es gibt keine andere Möglichkeit.
Er stand auf und ging langsam zu der großen Karte hinüber, die an einer der Querwände hing. Er legte die Hände auf den Rücken und schaukelte auf seinen Schuhsohlen vor und zurück, während er seine Augen aufmerksam über die sechzehn Provinzen wandern ließ, die zusammen mit den Balearen im Mittelmeer das spanische Festland bildeten. Niemals, dachte er. Wir werden es schlicht und einfach nicht zulassen. Dieser Verrückte muss um jeden Preis aufgehalten werden! Er starrte auf die östlichen Provinzen, wo ein ganzer Wald kleiner, farbiger Nadeln entlang dem kompletten Küstenstreifen zum Mittelmeer befestigt war. Die Kriminalitätsrate war infolge der allzu liberalen Gesetzgebung in den letzten Jahren förmlich explodiert, vor allem was den illegalen Besitz und die Weitergabe von Drogen betraf. Seine Warnungen verhallten ungehört, und jetzt mussten sie den Preis dafür zahlen. Früher oder später würde es sich auch auf den Tourismus auswirken, und spätestens dann - wenn nicht schon vorher - würde die Nation begreifen, dass die alten ...
Plötzlich erstarrte sein ganzer Körper, und die Hände hinter seinem Rücken griffen hart ineinander. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit? Dieses Mal waren sie gezwungen, in anderen
Bahnen zu denken. Das hatte er schon beim letzten Zusammentreffen betont.
Er begann vor der Karte auf und ab zu marschieren, während er blitzschnell eine erste Bewertung vornahm.
Seine Augen wurden schmaler, und sein dünner, gealterter Mund verfiel unvermittelt in Kaubewegungen, als er erneut vor der Karte stehen blieb und sie betrachtete. Sein Blick folgte den Nadeln entlang der Mittelmeerküste. Schließlich ließ er die Augen in die untere linke Ecke der Karte gleiten, wo in einem dünnen, quadratischen Rahmen die siebzehnte spanische Provinz wiedergegeben war.
Er begann von Neuem auf den Schuhsohlen hin und her zu schaukeln.
Die kanarischen Inseln, dachte er. Er hob seine verschränkten Hände an den Mund und begann mit den Zeigefingern auf seine Lippen zu trommeln. Es war nicht unmöglich. Es war überhaupt nicht unmöglich. Weit vom Festland entfernt. Außerdem gab es ja "los novios de la muerte", die immer loyale Fremdenlegion, die auf Fuerteventura stationiert war. Er neigte seinen Kopf zu den sieben kleinen atlantischen Inseln hinunter.
"Dort!", murmelte er vor sich hin und klopfte mit dem Finger in den kleinen, quadratischen Rahmen. "Erst dort, und dann ...!"
Er kehrte zum Schreibtisch zurück und griff nach dem Telefonhörer.
Dann wählte er eine interne Nummer und wartete. "Ich will einen aktualisierten Lagebericht über die Banden, die an der Costa del Sol operieren", sagte er, als sich die Zentrale meldete. "Nein, umgehend. Ja, das ist bis auf weiteres noch vertraulich. Nur für meine Augen bestimmt!"
Fünf Monate später ergoss sich ein kalter Februarregen über den Madrider Flughafen und ließ den Zivilagenten von "El Grupo Especial de Operaciones" in seinem kurzärmeligen Hemd erschauern, obwohl er sich innerhalb des Flughafengebäudes befand.
Er ließ die Arme hinter seinem Bürostuhl verschwinden und zog sich im Sitzen sein Jackett über, während er verärgert den vor ihm stehenden uniformierten Polizisten fixierte. "Bist du wirklich sicher, dass es Caudillo Rodriguez war, den du gesehen hast?", fragte er und nahm einen weiteren Schluck aus dem Kaffeebecher, den ihm seine Sekretärin gebracht hatte, nachdem er fast zwei Stunden zu spät in seinem Büro eingetroffen war. "Na? Wie sicher bist du dir? Ich muss es wissen, bevor ich etwas unternehme."
"Er sah so aus, als könnte er es gewesen sein", sagte der Polizist unsicher. "Ich habe ja sein Gesicht auf den Fahndungsplakaten gesehen, aber da hatte er einen Bart. Jetzt nicht mehr. Aber das fiel mir erst später auf, als er schon ..."
"Mach dir nichts draus", unterbrach ihn der Agent. "Beschreib mir stattdessen, wie er jetzt aussah."
"Lang und kräftig gebaut", sagte der Polizist und blickte an die Decke. "Über einsachtzig. Um die vierzig. Dickes, schwarzes, lockiges Haar und ein breites Gesicht. Großer Mund mit dicken Lippen, fast wie ein Neger." Er schaute wieder auf den Agenten hinunter. "Ein kleiner Ring im Ohr", sagte er triumphierend.
"Genau wie bei den Schwulen."
Du großer Gott, er ist es es verdammt noch mal wirklich!, dachte der Agent aufgeregt und legte seine Hand auf das Telefon.
GEO hatte über drei Jahre lang in ganz Spanien nach Caudillo Rodriguez gefahndet, ohne ihn stellen zu können.
Alle ihre Anstrengungen waren vergeblich gewesen. Das Rauschgift floss in Strömen über sein Netzwerk ins Land, und die Serie der bewaffneten Raubüberfälle auf Banken und Hotels an der Sonnenküste wollte einfach nicht abreißen, obwohl starke Polizeikräfte für die Jagd auf ihn eingesetzt wurden.
Nervös trommelte er mit den Fingern auf dem Telefon. Der Mann war vollkommen rücksichtslos. Bei mehreren Gelegenheiten hatte er während seiner Raubüberfälle sowohl Polizisten als auch Bankangestellte erschossen. Wenn es nun wirklich Caudillo war, den der Polizist gesehen hatte, musste der numerarius umgehend informiert werden. So lautete ihre stehende Anweisung. Sie hatten sogar den Befehl, eine besondere Telefonnummer zu wählen, die sie direkt mit ihm verband. Aber die Aussage des Polizisten, dass Caudillo sich an Bord der Maschine nach Las Palmas begeben habe, klang gelinde gesagt unglaubwürdig. Was sollte er dort vorhaben? Ein Raubüberfall auf Gran Canaria - es war unbegreiflich.
"Bist du sicher, dass er nach Las Palmas geflogen ist?", fragte er den Polizisten. "Du könntest dich geirrt haben."
"Ich habe praktisch direkt an seinem Gate gestanden", sagte der Polizist beleidigt. Er zog einen Zettel aus seiner Tasche hervor. "IB Null-Eins-Sieben-Fünf nach Las Palmas", las er laut vor. Er hielt dem Agenten den Zettel hin. "Ich habe es sogar aufgeschrieben."
Der Agent nahm den Telefonhörer ab und und wählte eine kurze Nummer.
"Wann kommt IB Null-Eins-Sieben-Fünf in Las Palmas an?", fragte er.
Sein Gesicht verzog sich zu einer zornigen Grimasse, während er zuhörte.
Schließlich drosch er unbeherrscht den Hörer auf die Gabel. "Sie sind vor einer halben Stunde auf Gando gelandet", sagte er und starrte den Polizisten wütend an. "Warum bist du nicht früher gekommen!"
"Es war ja noch niemand von GEO hier", sagte der Polizist.
"Wir haben doch ausdrücklichen Befehl, euch zuerst zu unterrichten, wenn wir hier etwas Verdächtiges bemerken. Sie haben gesagt, dass Sie um neun kommen würden und dann ... ja, ich habe seitdem hier gesessen und gewartet. Fast zwei Stunden lang. Wenn Sie etwas früher gekommen wären ... und außerdem war ich mir ja nicht sicher. Ich wollte nicht ..."
Beredt breitete er die Arme aus und zuckte mit den Schultern.
"Ich habe im Stau gesteckt", log der Agent und verfluchte seine Frau, die sich ausgerechnet diesen Morgen ausgesucht hatte, um eine der heftigsten Auseinandersetzungen ihrer Ehe anzuzetteln. Er legte die Hand auf das Telefon. "War er allein? Ich meine ... war noch jemand bei ihm?"
"Nicht, soweit ich sehen konnte", sagte der Polizist. "Es gab nicht so viele Passagiere für diesen Flug. Hauptsächlich Familien, und eine Bande von Jugendlichen, die dort wohl mal die Sau rauslassen wollen. Was weiß ich? So sahen sie jedenfalls aus."
Der Agent nahm schnell den Hörer auf.
"Idiot!", fauchte er den Polizisten an. "Das waren Drogenabhängige, alle miteinander. Er benutzt immer jugendliche Junkies für seine Banküberfälle. Immer!"
Seine Hand zitterte, als er zunächst eine lange Nummer ins Telefon trommelte und dann eine Weile wartete. Dann drückte er eine kurze, dreiziffrige.
"Verschwinde!", sagte er zum Polizisten, während er den Hörer ans Ohr drückte und wartete.
Als die wohlbekannte Stimme antwortete, identifizierte er sich und legte auf. Nach ein paar Sekunden klingelte das Telefon.
"Ich bin im Besitz von Informationen, die darauf hindeuten, dass Caudillo Rodriguez soeben in Las Palmas eingetroffen ist", sagte er.
Anschließend saß er sehr lange schweigend da, während er verwundert auf die geschlossene Tür starrte."Das wusste ich nicht", sagte er schließlich entschuldigend.
"Niemand hat mich darüber in Kenntnis gesetzt."
Erneut fiel er in ein sehr langes Schweigen, nickte nur hier und da bestätigend.
"Ich verstehe", sagte er schließlich. "Jawohl, ich werde dafür sorgen."
Dann legte er auf und drückte auf die Gegensprechanlage."Ja?", knisterte die Stimme seiner Sekretärin metallisch aus dem Lautsprecher.
"Dieser Polizist, der eben hier war", sagte er. "Sorgen Sie dafür, dass er wieder zurückkommt. Umgehend!"

Danke an die Lübbe Verlagsgruppe für die Veröffentlichungserlaubnis.
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