Jo Nesbø "Das fünfte Zeichen"
Dem Abgrund so nahe
Harry Hole droht dem Alkohol zu verfallen, sein Autor dem Klischee.
Doch Jo Nesbø macht aus der Gratwanderung sein eigenes Krimikunststück.
Harry Hole, alkoholkranker Ermittler aus Oslo, steht kurz vor seiner
Kündigung. Auch sein Privatleben ist desolat. Seine Freundin Rakel
hat ihn verlassen und Harry leidet wie ein Hund. Gleichzeitig geschehen
drei Morde: Drei junge Frauen werden im Abstand von jeweils fünf
Tagen ermordet. Die Morde weisen auf einen Serienmörder hin. Allen
Frauen wird ein Finger abgetrennt und der Täter hinterlässt
jeweils einen roten, fünfzackigen Diamanten als "Visitenkarte"
am Tatort zurück. Die Morde sind Harrys letzte Chance, einer Kündigung
zu entgehen. Ausgerechnet mit Tom Waaler, den Harry für einen Waffenschmuggler
und den Mörder seiner Kollegin Ellen hält, muss Harry dabei
zusammenarbeiten. Kein leichter Fall, weder für Harry noch für
seine Kollegen.
Jo Nesbø, der als einer der besten Krimiautoren Skandinaviens gilt
und mit "Das fünfte Zeichen" 64 Wochen in Norwegen auf
der Bestsellerliste stand, ist mit seinem Protagonisten eine moderne,
skandinavische Variante des Hardboiled-Detektives gelungen. Harry Hole
ist abgewrackt wie seine Vorgänger, aber doch nicht so einsam, dass
er nicht eine Freundin hätte - auch wenn er gerade im Begriff ist,
diese zu verlieren. Außerdem versteht er sich durchaus als Repräsentant
des Gesetzes, obwohl er häufiger seine Zweifel an einem gerechten
Staat und seinen Prinzipien hegt. So ist es ein ständiges Für
und Wider, ein Sowohl-als-Auch, eine Gratwanderung - für den Autor
wie für den Helden. Denn die Gefahr für Nesbø einerseits,
doch noch ins Klischee abzustürzen, ist dabei stets so gegenwärtig
wie für Harry andererseits die Gefahr, endgültige seiner Alkoholsucht
zu verfallen. Doch trotz aller Ähnlichkeiten und Tendenzen entsteht
kein Abziehbild eines einsamen Wolfes, sondern ein eigenständiger
Charakter, dessen physische Präsenz zwischen den Buchdeckeln förmlich
spürbar ist.
Harry contra Tom
In der Charakterzeichnung Harry Hole ebenbürtig ist dessen Erzfeind
Tom Waaler. Wie es sich für einen guten Antagonisten gehört,
ist er Harry Hole diametral entgegengesetzt und bis zum Schluss weiß
der Leser nicht, ob Harry einer fixen Idee nachjagt oder ob an seinem
Verdacht, Tom Waaler sei korrupt, ein Waffenschmuggler und der Mörder
seiner Kollegin Ellen, doch etwas dran ist. Das Knäuel entwirrt
sich erst langsam und es kommt zu einem spannenden Showdown. Aus dieser
Konstellation bezieht "Das fünfte Zeichen" zusätzlich
Spannung, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre.
Buchtipp |
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Der Krimiplot
um einen mysteriösen Serienmörder ist auch für sich genommen
spannend genug. Dabei gewinnt Jo Nesbø auch diesem Aspekt Neues
ab und führt seine Leser gekonnt auf falsche Fährten. Das
Ende überzeugt durch einen gut platzierten Mörder, auf den
man nicht auf Anhieb kommt, der aber auch nicht plötzlich aus dem
Nichts auftaucht. Gut gemacht, Jo Nesbø!
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
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