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"Der Wald wirft schwarze Schatten" von Kari Fredrikke BrænneIn den dunklen tiefen Gängen der Vergangenheit
In einer Hütte, tief im dichten Wald der Hedmark, an der Grenze zu Schweden, hat sich ein Verbrechen ereignet, das eine ganze Familie über vier Generationen nicht nur auseinanderreißt, sondern bis ins tiefste Unbewusstsein hinein prägt. Es ist eine Geschichte von Liebe und Verrat, von Hass, Krieg, Gewalt und Mord und darüber, wie sehr uns Kindheitserlebnisse bis weit ins Erwachsenenleben prägen, wenn nicht gar bis über den Tod hinaus.
Auf der Suche nach dem „inneren Guantánamo“ Dabei ist es nicht erst der aufsehenerregende Show-Down im Wald, der Kari Brænnes Roman auszeichnet, obwohl die (Familien)-Geschichte genau hier endlich ihr Ende findet, wo vor Jahrzehnten alles begann, wo für Robert alles an seinen Platz fällt, er sein Trauma endgültig hinter sich lassen und vor allem das Muster aus Gewalt, das in der Familie vorherrscht, durchbrechen kann. Sondern Kari Brænne, die auch Theaterstücke schreibt, versteht es meisterlich, das Muster der Gewalt und ihren Ursprung offenzulegen. Das geschieht in einer ganz schlichten, beinahe sachlichen Sprache, die gerade deswegen umso mehr unter die Haut geht. Man versteht, warum Evelyn kaum eine Chance hatte, anders zu handeln, als sie es tat, hat beinahe auch Mitleid mit der Alleinerziehenden Kriegswitwe, weint mit dem kleinen Wilhelm, der stundenlang im Dunkeln eingesperrt wird und aus Angst tatsächlich stirbt, nämlich so stirbt, dass auch er später das Muster der Gewalt übernehmen wird, und leidet mit dem erst zweijährigen Robin, der auf grausame Weise seine Mutter verliert und Zeuge des Mordes an ihr wird ebenso wie mit dem erwachsenen Robert, der bei den Proben zu „Hamlet“ nahe des Zusammenbruchs ist, getrieben von seinem Regisseur, der versucht, mittels „Psychodrama und Tiefenmeditation, Psychoterror und Method-Acting, in einer völlig kranken Mischung“ (S. 43) die „wunden Punkte“, das „innere Guantánamo“ seiner Schauspieler herauszukitzeln (vgl. S.91), der die Wunden finden will, „die nie verheilt sind“ und „unserem eigenen Schmerz begegnen“ will, weil „nur dort kann richtiges Theater entstehen.“ (S.91f). Das Muster durchbrechen Er schafft es, „die versiegelten Erinnerungen des Körpers“ (S. 277) bei Robert offen zu legen, das verdrängte traumatische Erlebnis ans Tageslicht zu holen (vgl. ebd.). Doch noch kann Robert nicht alle Puzzleteile an ihren Platz legen. Dazu bedarf es erst des Ausflugs mit seinem Sohn Lukas zur Hütte im Wald. Da plötzlich bricht sich die Erinnerung ihren Weg. Robert taumelt, doch er fällt nicht. Er ist seinem Sohn ein guter Vater, das Muster der Gewalt durchbrochen. Intensiv und berührend auch die Szenen, die einen noch jungen Wilhelm zeigen, der zwar als Vater aufgrund seiner eigenen Kindheitserlebnisse überfordert ist, wo aber dennoch nicht alle Hoffnung verloren zu sein scheint: „Er und der Junge volle fünf Tage allein zu Haus (…) Er übernahm den ganzen Mama-Kram. (…) Nahm ihn hoch, wechselte Windeln, trug ihn herum. Das Kind jammerte die ganze Zeit, wollte zu seiner Mama. Quengelte und schrie. Er gab ihm ab und zu einen Klaps. Aber nachts war es ruhig. Und wenn er nach ihm schaute, spürte er etwas in sich aufkeimen und wachsen. (…) Der Anblick des kleinen Köpfchens auf dem Kissen, die dunklen Locken. Die Ärmchen um das Schmusekaninchen. Das friedvolle kleine Gesicht. Das war so schön.“ (S.262f) – Eine Ambivalenz, die auch seine Mutter Evelyn ihrem Sohn gegenüber spürt. Vor allem am Vorabend ihres Todes bahnen sich die Zweifel und Gewissensbisse einen Weg an die Oberfläche des Bewusstseins, doch für Evelyn und Wilhelm kommt jeder Zweifel, jede Reue zu spät. Für Robert/Robin und seinen Sohn Lukas hingegen gibt es einen anderen Weg. Einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt. Glaubwürdig, stark und dramatisch – Kari Brænnes „Der Wald wirft schwarze Schatten“ verdient viele Leser! Vielen Dank an Alexandra Hagenguth © Juni 2012 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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