Am 2. November 2006 präsentierte Camilla Läckberg
ihren Roman "Der Prediger von Fjällbacka" im Rahmen einer Lesung
in der Mülheimer Stadtbibliothek. Gelegenheit für das Literaturportal
schwedenkrimi.de, vorab ein wenig mit der 32jährigen Autorin über
den neuesten Mord aus Fjällbacka zu sprechen.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Seitdem dein erstes Buch "Die Eisprinzessin
schläft" auf Deutsch erschienen ist, ist ziemlich viel passiert.
Du hast Preise und Auszeichnungen bekommen, und zurzeit schreibst du an deinem
fünften Roman. Wie hast du die letzten Jahre erlebt?
Camilla Läckberg: Wenn ich zurückblicke, denke ich, dass es der reinste
Wahnsinn war. Die Jahre sind so schnell vergangen. Vor allem das Letzte, es
ist so viel passiert. Ich hab das Gefühl, als ob ich gar nicht richtig
mitgekommen bin und kann noch gar nicht begreifen, was alles passiert ist.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Du wirst häufig als Liza Marklunds
Nachfolgerin gehandelt oder als "die neue Queen of Crime" tituliert.
Last oder Lust?
Camilla Läckberg: Ich nehme es als Kompliment, aber gerade in Bezug auf
Liza Marklund glaube ich nicht, dass es jemals einen adäquaten Nachfolger
geben wird. Sie ist so groß, war zur richtigen Zeit mit den richtigen
Themen am richtigen Ort. Nein, ich glaube wirklich nicht, dass man in Lizas
Fußstapfen treten kann, das wäre vermessen. Aber ich nehme es gerne
als Kompliment, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Ihr habt eigentlich auch zwei völlig
verschiedene Konzepte
Camilla Läckberg: Ja, genau, wir unterscheiden uns sehr stark. Ich sehe
das Ganze auch nicht als Wettbewerb. Ich konkurriere nicht mit Liza, nicht
mit Henning Mankell, nicht mit Håkan Nesser. Ich mag Lizas Bücher
sehr, aber wir sind grundverschieden. Ich konkurriere eigentlich nur mit mir
selbst, mit meinen Ansprüchen, noch besser zu werden, und mit Liza Marklund
verglichen zu werden, spornt mich an, weiter an mir zu arbeiten, mich zu verbessern.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Du hast viel Lob erhalten für deine
Personenbeschreibungen. Ericas und Patricks Privatleben spielt daher logischerweise
in deinen Büchern eine große Rolle. Was glaubst du selbst, was
es ist, dass deine Leser an deinen Büchern am meisten schätzen:
eine spannende Kriminalgeschichte oder sind sie mehr daran interessiert, zu
erfahren, wie es mit Patrick und Erica weitergeht?
Camilla Läckberg: Ein spannender Plot, eine gute Intrige ist sicherlich
die Voraussetzung dafür, dass die Krimis gelesen werden. Aber das Sahnehäubchen
ist sicherlich Patricks und Ericas Privatleben. Das sind ja keine Superhelden,
sondern sie führen ein ganz normales Leben. Viele erkennen sich darin
wieder, wie das ist, wenn man zusammenzieht, wenn man kleine Kinder hat
Ich glaube, das ist die Basis des Erfolgs.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Heute bist du hier, um deinen zweiten
Krimi, "Der Prediger von Fjällbacka", zu präsentieren.
Das Buch fängt ja ziemlich grausam an: Ein kleiner Junge stiehlt sich
frühmorgens aus dem Haus, um in der Königsschlucht Ritter zu spielen
und entdeckt dabei die Leiche einer Frau. Wie war das denn bei dir? Hast du
als Kind oft in der Königsschlucht gespielt?
Camilla Läckberg: Oh ja! Wir durften natürlich nicht alleine dorthin
gehen, aber genau deshalb war es ja so spannend. Ich hab mich auch nie getraut,
alleine dorthin zu gehen, sondern bin immer mit meinen Freunden dort spielen
gegangen. Dass es eigentlich verboten war, ohne Erwachsene dort zu sein, hat
es natürlich außerordentlich spannend gemacht.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Das ist ja auch ein ziemlich starker Einstieg
in einen Krimi. Woher kam denn dieses Bild von einem Kind, dass eine Leiche
in der Königsschlucht findet?
Camilla Läckberg: Irgendwie wollte ich schon immer mal eine Leiche dort
platzieren. Als ich dann über "Der Prediger von Fjällbacka"
nachdachte und die Mordintrige stand, überlegte ich, wo denn der richtige
Fundort für die Leiche sein könnte und da fiel mir die Königsschlucht
wieder ein.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Der Umschlag der deutschen Ausgabe ist
ja sehr Schwedisch geworden
Wie findest du ihn denn?
Camilla Läckberg: Ich find das ziemlich lustig. Ich war in einer Buchhandlung.
Dort hatten sie eine ganze Abteilung extra mit Schwedenkrimis und die ganze
Wand war voll mit Büchern, auf deren Cover zahlreiche Varianten roter
Holzhäuser zu sehen waren. Da weiß man sofort, wo man hin muss,
wenn man einen skandinavischen Krimi kaufen will
Literaturportal schwedenkrimi.de: Die Cover deiner schwedischen Ausgabe
sind ja ganz anders, sehr ansprechende, fast schon künstlerische Fotografien.
Camilla Läckberg: Ja, ich bin sehr stolz auf die Buchcover. Auf jedem
Buch soll ein Motiv aus Fjällbacka zu sehen sein. Den Roman "Olycksfågeln"
ziert zum Beispiel die Kirche von Fjällbacka. Weil Erica und Patrick
ja in diesem Roman heiraten, wollte ich irgendetwas auf dem Cover haben, das
damit zu tun hat und hatte die Idee, dass es ja die Kirche von Fjällbacka
sein könnte. Ich habe dann einfach mal jemandem vom Heimatverein angemailt,
ob die ein schönes Foto von der Kirche haben und sie haben mir genau
das Foto zugeschickt, das du jetzt auf dem Cover zu "Olycksfågeln"
sehen kannst. Ich war sofort begeistert von dem Bild und der Verlag auch.
Wir haben nichts mehr daran ändern müssen und es genauso übernommen,
wie sie es uns geschickt haben. Der rote Hintergrund ist einfach der Hammer.
Literaturportal schwedenkrimi.de: "Der Prediger von Fjällbacka"
handelt von dem freikirchlichen Pastor Ephraim Hult und seinen Kindern. Ist
das ein Thema, das so typisch Schwedisch ist wie die roten Holzhäuser?
Welche Rolle spielt die freikirchliche Gemeinde heute in Schweden?
Camilla Läckberg: Es ist eigentlich ganz normal, nichts Außergewöhnliches.
Wenn man eine Schulklasse hat, hat man immer ein paar Kinder, die der freikirchlichen
Gemeinde angehören oder auch den Zeugen Jehovas oder der Philadelphia-Kirche.
Insbesondere in der Region Bohus, zu der Fjällbacka ja gehört, ist
der freikirchliche Glaube sehr verbreitet, und auch wenn es in Fjällbacka
selbst keine freikirchliche Gemeinde mehr gibt, ist die ganze Kultur der Region
doch von dieser sehr strengen Sicht auf die Menschen geprägt. Wenn man
jemanden in Fjällbacka auf der Straße trifft und man gefragt wird,
wie es einem geht, darf man auf gar keinen Fall antworten, dass es einem gut
geht. Man muss erst darüber klagen, dass man Probleme mit dem Rücken
hat oder Magenschmerzen, dass das Dach am Haus ausgebessert werden muss und
dergleichen. Aber wenn man diese Litanei hinter sich gebracht hat, darf man
sagen
aber abgesehen davon, geht es mir eigentlich ganz gut.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Welches Verhältnis hast du selbst
denn zur Religion? Glaubst du an Gott? Wie sieht Gott in deiner Vorstellung
aus?
Camilla Läckberg: Ich pflege, wie die meisten, eine Art Alltagsreligion.
Ich glaube an "Etwas", aber wie dieses Etwas aussieht, weiß
ich nicht. Aber ich bin nicht aktiv glaubend, gehe nicht in die Kirche. Ob
dieses Etwas, an das ich glaube, Gott ist oder Buddha, weiß ich auch
nicht, aber ich denke, es sind Varianten des immer selben Themas und etwas
ist da.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Ephraim Hult, der Prediger von Fjällbacka
und eine zentrale Figur des Romans, macht sich eigentlich mehrerer Vergehen
schuldig: Er nutzt seine Söhne aus, ihre Liebe und ihr Vertrauen zu ihm
als Vater, und er nutzt die Menschen aus, die zu ihm kommen, um ihn um Hilfe
zu bitten. Welche Schuld wiegt deiner Meinung nach am schwersten?
Camilla Läckberg: Die Tatsache, dass er seine Söhne als Vater verrät,
wiegt am schwersten. Er kümmert sich nicht um sie, er setzt nicht ihre
Interessen an erster Stelle, sondern seine eigenen und nimmt keine Rücksicht
darauf, wie sie die Kinder beeinflussen. Er ist egoistisch auf Kosten der
Kinder. Das ist die größte Sünde, denke ich.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Es geht dabei ja auch um eine Art Missbrauch
an Kindern. In diesem Fall führt es gleich zu mehreren Morden, ein Thema,
das in deinen Büchern immer wiederkehrt. In "Die Eisprinzessin schläft"
liegt auch ein Fall von Missbrauch hinter dem Mord, in "Stenhuggaren"
ist es gerade der Mangel an Liebe, der einen Menschen zum Mörder macht,
in "Olycksfågeln" ist es eine Art pervertierte Liebe und Zuneigung
zu dem Menschen, von dem man annimmt, es sei die Mutter, die mehrer Morde
in der Zukunft auslöst. Kurz gesagt: Kinder, die schlecht behandelt werden,
werden in deinen Romanen häufig zu Mördern. Ist das eine bewusste
Entscheidung gewesen?
Camilla Läckberg: Nein, das war keine bewusste Entscheidung und ist wohl
eher durch Zufall entstanden. Aber es hängt sicher damit zusammen, dass
ich glaube, dass darin die Wurzel allen Übels liegt. Eltern, die ihre
Kinder schlecht behandeln, statt sich um sie zu sorgen und zu kümmern,
sind oft das auslösende Motiv.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Ich finde, es ist besonders schrecklich
von Kindern und Jugendlichen zu lesen, die ermordet oder missbraucht werden.
Du bist selbst Mutter von zwei Kindern. Was empfindest du selbst beim Schreiben?
Welches Buch war das Buch, das bisher am meisten von dir als Mensch und Mutter
gefordert hat?
Camilla Läckberg: Das war ohne Zweifel "Stenhuggaren". In diesem
Roman wird ein achtjähriges Mädchen ermordet aufgefunden. Das hat
mich schon sehr berührt, denn als Autor muss man sich ja in verschiedene
Situationen und Personen hineinversetzen. Hier musste ich mir also vorstellen,
wie es für die Eltern ist, wenn es plötzlich an der Tür klingelt
und die Polizei einem mitteilt, dass das eigene Kind tot, ermordet aufgefunden
wurde. Das war schrecklich.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie bist du denn auf die Idee zu diesem
Buch gekommen?
Camilla Läckberg: Auslöser war Marianne Fredrikssons Roman "Hannas
Töchter". Als ich das gelesen habe, dachte ich, wow, was für
ein guter Krimi! Man muss die ganze Familiengeschichte kennen, um zu begreifen,
was passiert. Dieses Motiv habe ich dann auch für "Stenhuggaren"
verwendet.
Literaturportal schwedenkrimi.de: Reicht denn Fjällbacka als Inspirationsquelle,
um darauf eine Autorenbiografie aufzubauen? Oder könntest du dir auch
vorstellen, dass Patrick vielleicht eines Tages befördert wird. Zum Beispiel
nach Göteborg
?
Camilla Läckberg: Ich glaube, wenn ich Fjällbacka als Handlungsort
verlasse, dann lasse ich auch Erica und Patrick dort. Sie gehören nach
Fjällbacka. Wenn ich bedenke, dass ich erst 32 bin und noch viele Jahre
als Schriftstellerin vor mir habe, werde ich sicherlich auch irgendwann etwas
anderes schreiben. Über Fjällbacka schreibe ich solange, wie es
Spaß macht und im Moment macht es am meisten Spaß, darüber
zu schreiben.